Archiv für ‘Bettina Janssen’ Kategorie

Wie ich mein Herz an den Bundesadler verlor….

12.07.10

Autor: Bettina Janssen | Kategorie: Allgemein, Bettina Janssen, Blog, Inside the Team

Seit einer Woche bin ich wieder in den Landen. Seit einer Woche überlege ich, wie ich das Erlebnis American Football Weltmeisterschaft in Schweden in Worten zusammenfassen soll. Wie kann ich Aussenstehenden erklären, wie man sich als Teil einer Nationalmannschaft fühlt, die gegen andere Nationen in einer Randgruppensportart für Frauen antritt, die nie viel Beachtung gefunden hat und jetzt das aller erste Mal in einem internationalen Turnier antritt?

Wie kann man den Stolz beschreiben, Geschichte schreiben zu dürfen? Als Teil der ersten deutschen Nationalmannschaft an der ersten Weltmeisterschaft teilnehmen zu können, auf dem Rasen mit 44 gleichgesinnten zu stehen und die Nationalhymne zu schmettern?

Wie beschreibt man dann die Enttäuschung, die einhergeht, wenn letztendlich nur der 4. Platz herausspringt, weil man sich selber ein Beinchen gestellt hat und bei den zwei entscheidenen Spielen erst zu spät das zeigte, was man eigentlich kann?

Und wie bringt man anderen Menschen näher, was man fühlt, wenn man zehn Tage voller Football, Theorie, Trainingseinheiten in praller Sonne, Schweiß und Tränen, Videoanalysen, menschlichen Befindlichkeiten mit den anderen Mannschaftsmitgliedern verbringt, von einem unglaublich engagierten Team betreut wird und man sich dann auf einmal wieder in die „Realität“ des Alltags eingliedern muss?

Keiner schreibt mir mehr vor, was ich zu welchen Gelegenheiten anziehen soll, meine Wäsche muss ich auch wieder selbst machen und, am schlimmsten, mir fehlen die Mädels, die aus gegnerischen Teams hier in der Bundesliga in der Fremde ein Team, mein Team geworden ist.

Ich bin noch nie ein Freund von Dauerbespaßung und Menschenmassen gewesen, aber dieses Erlebnis Weltmeisterschaft in Schweden macht mich so stolz und glücklich ein Teil des Ganzen gewesen sein zu dürfen, dass ich nur hoffe, dass der Kader der 1. Frauennationalmannschaft im American Football noch ein paar weitere Spiele in diesem Jahr bestreiten wird.

Es ist zwar ein abgedroschener Satz, aber:

Es war mir eine Ehre mit diesen Mädchen und Frauen für Deutschland spielen zu dürfen.

Und wer jemals so etwas erleben durfte, weiß, dass ohne die vielen helfenden und organisierenden Hände das alles niemals möglich geworden wäre.

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Frau Janßen freut sich ein Bein ab und hat Körper…

28.06.10

Autor: Bettina Janssen | Kategorie: Allgemein, Bettina Janssen, Blog


Der dritte und letzte Tag in Strausberg geht seinem Ende zu und ich bin geschafft. Die zwei täglichen Trainingseinheiten in der prallen Sonne haben mich einfach dahingerafft. Nicht nur dass der erste Tag mit Anreise, Theoriestunden, Trainingseinheiten und Videoanalysen für mich knappe 13 Stunden gedauert hat, am zweiten und dritten Tag ging es nicht minder flott weiter.

Nachdem am Freitag das praktische Training noch ein wenig chaotisch war, weil sich alle wieder in ihre Positionen und Teams finden und auch die Spielzüge wieder neu aufeinander abgestimmt werden mussten, ging es wieder mit frischem Elan und neuer Motivation wieder auf das glühende Kunstrasenfeld.

Vom Training schubbern regelmäßig noch diverse Granulatbrocken in Schuhen und anderen Ausrüstungsgegenständen, aber das hindert niemanden daran auf allen Spielpositionen Gas zu geben.

Ich habe hier in Strausberg viel gelacht, habe auch einmal, ein langer Tag in Sonne auf dem Trainingsfeld kann einen auch schon mal an die Leistungsgrenzen bringen, kurz nach einem besonders ordentlichen Block meiner Mitspielerin Sarah ein paar Tränchen vergossen. Aber was soll es, die blauen Flecken werden hier wie alte Kriegsnarben verglichen und bestaunt. Ich muss auch noch daran denken, mich bei meinem Defense-Line-Coach für seine Geduld zu bedanken…

Mein Defense-Line-Coach Markus Grässer und der Defense-Coordinator Daniel Koch geben ihr Bestes uns auf den kommenden ersten Gegner Schweden einzustellen. Die WM in Schweden hat bereits heute begonnen, unser erstes Spiel wird am Dienstag sein. Videoanlaysen, Walk-Throughs und Individuals, abgestimmt auf die verschiedenen Positionen im Feld, haben das einzige Ziel das Team als eins arbeiten zu lassen, um abgestimmt auf die Gastgeber vorbereitet zu sein.

Den heutigen Abend im Camp haben wir mit Packen verbracht. Wir haben noch diverse Kleidungsstücke erhalten, die uns als Mitglieder der Deutschen Nationalmannschaft ausweisen, aber damit hat uns das Komitee zugleich einen Gefallen getan und gleichzeitig so manche der Mädels nahe an einen Pack-Kollaps gebracht. Wie bereits bekannt, sind nur 20 Kg im Gepäck erlaubt und so sah man heute Abend diverse Mädchen und Frauen hektisch nach den Federwaagen für das Gepäck suchen. Wie nur alles in die Taschen packen? Was wird hier gelassen? Heute Abend kann keiner verleugnen, dass wir wirklich Mädchen sind…

Langsam wird es ruhig auf den Fluren und auch ich werde mich gleich schnellstmöglich in die Federn begeben. Mein Körper wird es mir danken. Jetzt ist es gleich 12 Uhr nachts und Frühstück wird morgen früh um sechs sein, damit wir uns gegen 7 Uhr auf den Weg zum Flughafen gen Stockholm machen können. Natürlich in unseren Deutschland-Trainingsanzügen.

Also werde ich nun meine restlichen Dinge zusammenklauben und auf den Tisch für morgen legen, damit ich flott aus dem Bett und zeitig in den Bus zum Flughafen komme.

Morgen Abend werde ich schon in Schweden sein und Dienstag mein erstes Spiel auf dem Weg zur Weltmeisterschaft beschreiten. Ich kann es immer noch kaum glauben.

 

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… und viel zu wenig Zeit!

21.06.10

Autor: Bettina Janssen | Kategorie: Bettina Janssen, Blog, Inside the Team

Weltmeisterschaft in Schweden, Abschlussprüfung und viel zu wenig Zeit!

Heute ist schon Montag und in nur vier Tagen geht es los ins Trainingscamp in Strausberg. Wo in aller Welt bleibt nur die Zeit? Gerade waren es noch Monate bis zur American Football WM in Schweden, dann noch viele lange Wochen und jetzt rennt mir die Zeit nur davon!!

Morgen steht noch meine allerletzte, absolute Abschlussprüfung bevor. Morgen Nachmittag um drei habe ich alles hinter mir und werde mich dann endlich den „wichtigen“ Dingen zuwenden: die Tasche für Schweden packen.

Was nimmt man zu einer Weltmeisterschaft als Teilnehmer mit? Und warum nur 20 Kg??? Ich bin vielleicht nicht ein „Mädchen“-Mädchen, welches drei schrankhohe Koffer in einen Urlaub mitschleppen würde, aber wie alle meine Mannschaftskolleginnen muss auch ich neben der Wäsche für zehn Tage auch noch meine Ausrüstung im Gepäck unterbringen. Welche Freizeitkleidung packe ich ein? Spare ich Gewicht, wenn ich mich nur auf kurze Hosen beschränke? Packe ich überhaupt Duschgel und Shampoo ein? Hotels statten die Zimmer doch eigentlich immer damit aus. Vielleicht nehme ich auch nur Kernseife mit, wie meine Teamkollegin Sarah vorschlug, damit könnte ich nicht nur Wäsche waschen, mich und meine Haare pflegen, sondern die Seife in Verbindung mit einem Socken bei einem potentiellen Schnarcher auf dem Zimmer auch als „Fernbedienung für die zimmerinterne Lautstärkenregelung“ nutzen. Wer Platz und Gewicht einsparen muss, wird eben erfinderisch. Schmunzelnd frage ich mich auch, wie lange man ein Paar Socken tragen kann, bevor es unangenehm riecht…

Auf Facebook haben meine drei Teammitglieder bereits eine Rundmail unter uns Vieren gestartet: Ich packe meinen Koffer und nehme mit… Eine gute Idee, denn ich hätte nicht daran gedacht, z.B. noch Anti-Mücken-Spray, die Notfallnummer der Auslandskrankenversicherung oder einen Dreckwäschebeutel einzupacken. Den Impfpass habe ich auch eingesteckt, hätte ich mich auch noch gegen Zeckenbisse vorbehandeln lassen sollen? Unsinn, unser Hotel liegt zwar in den Schären von Stockholm, aber aus der Stadt kommen wir eh nicht.

Langsam wird es also ernst. Ich muss Probepacken, damit ich unter dem 20Kg-Limit bleibe. Wird meine große Sporttasche reichen oder stopfe ich alles in meinen Weltreiserucksack? Wieviele T-Shirts sind von Nöten, wie oft werde ich waschen können? Wird es eher frisch oder doch warm? Probiere ich meine Schwimmsachen nochmal vorab an, ob die noch passen? Fragen über Fragen. Ich werde auch noch meinen MP3-Player aufräumen und neu bestücken müssen. Ich werde Musik zum Aufpumpen, zum „Runterkommen“ und zum Einschlafen benötigen, nur was und wieviel?

Ich habe noch drei Tage, um alle Dinge zusammenzustellen und zu verpacken und ich weiß schon jetzt, dass ich dennoch was vergessen werde, welches ich teuer in Stockholm nachkaufen muss. Laut Ablaufplan wird nicht viel Zeit zum Einkaufen sein und die nächsten Geschäfte sind eine 10 minütige Busfahrt vom Hotel entfernt. Also hoffe ich, dass die 45 Mädels sich untereinander geschickt ergänzen, ansonsten werden wir wohl Tauschgeschäfte mit den beiden anderen Mannschaften (Kanada und Finnland) begehen müssen, die ebenso in unserem Hotel untergebracht sind.

Ich bezweifele, dass die Spieler der deutschen Fußball-Nationalmannschaft sich mit dem 20 Kg-Limit überhaupt abgeben müssen. Wenn da von den Jungs ein paar Schuhe vergessen wird, dann flitzt sicherlich irgendein Assistent los, der da Vergessenes und Erwünschtes besorgt.

So einen Assistenten sollte ich auch bei unserem Teammanagement beantragen…

Online auch bei http://www.lokalkompass.de/wesel/sport/weltmeisterschaft-in-schweden-abschlusspruefung-und-viel-zu-wenig-zeit-d2998.html

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Wie meine Suche nach ein wenig Bewegung..

19.06.10

Autor: Bettina Janssen | Kategorie: Bettina Janssen, Blog, Inside the Team

..im Kader der Nationalmannschaft endete

Wie konnte das eigentlich passieren, dass ich mit einem Hobby startete und nun in Kürze als Mitglied der Nationalmannschaft die deutsche Nationalhymne im Stadion Zinkensdamm schmettern werde?

Vor vielen Jahren, es muss so um 1995 gewesen sein, rutschte ich nach und nach, Dank der footballbegeisterten Familie meines damaligen Freundes, Stück für Stück in das Lebensgefühl American Football. Die Spiele wurden nachts von den wenigen Freunden, welche die Spiele empfangen konnten, auf Video aufgenommen und im Freundeskreis frisch vervielfältigt verteilt.

So richtig packte mich allerdings erst die Begeisterung für den Sport beim XXXII. Superbowl der Greenbay Packers gegen die Denver Broncos. Das Spiel war das spannendste, welches ich bis dahin gesehen hatte und der Quaterback der Denver Broncos, Jon Elway, spielte mit soviel Herz und Seele, wie ich es noch nie in einem anderen Sport erlebt hatte. Diesen Sport wollte ich auch ausprobieren! Nur wie und wo testet frau einen männlich dominierten Testosteronsport?

Als sei meine Frage erhört worden, fand ich ich 1999 eine Anzeige im lokalen Veranstaltungskalender. Die Mülheim Shamrocks suchten für ihre Damenmannschaft Verstärkung und luden zum Probetraining ein. Mir gefiel besonders, dass Mädchen und Frauen jeglicher Figur und jeglichen Alters gesucht wurden. Da ich schon immer eher von der „mopsigen“ Sorte gewesen bin, kam mir das natürlich entgegen. Ich schnappte mir meine Mitbewohnerin und schleppte sie zum Wintertraining.

Der Trainer jagte uns in der Woche Runde um Runde um den winterlichen Sportplatz und am Sonntag über den Zirkel in der Sporthalle. In der Sporthalle bekamen wir auch in Theoriestunden die Grundlagen von American Football und später auch die Spielzüge beigebracht und in kleinen Gruppen nötigen technischen Grundlagen und Bewegungsabläufe.

Die Mannschaft war (und ist es bis heute) ein Sammelsorium von Charakteren, die mich von Anfang an begeisterte. Ich war vorher bereits im Schwimmverein gewesen und war jahrelang im Reitverein Springreiter, aber so wohl hatte ich mich noch in keiner Sportgruppe gefühlt.

Dann kam das erste Außentraining in voller Ausrüstung auf mich zu. Mir wurde mitgeteilt, dass nun wirklich Football gespielt wurde, und in meinem ersten Training wurde ich über den Platz geschoben, getackled und geblockt. Ich spürte nach dem Training Muskeln von denen ich vorher noch nicht einmal geahnt hatte, dass ich diese überhaupt hatte! Aber nie zuvor hatte ich mich so wohl nach einer Sporteinheit gefühlt.

Das erste Spiel folgte und ich fühlte mich völlig planlos auf dem Feld (war ich auch wahrscheinlich). Rief der Trainer eigentlich nur meinen Namen über das Feld? Spiel auf Spiel folgte und die Theoriestunden fügten sich nach und nach mit der Praxis zu einem Ganzen zusammen. Neben dem Sport an sich hatte ich in meiner Mannschaft einen neuen, festen Freundeskreis gefunden. Jahr auf Jahr folgte; für mich entwickelte sich meine Mannschaft zu einer Art Familie. Wir durchleben gemeinsam Erfolge und Niederlagen; wir feiern zusammen genauso, wie es manchmal im Gebälk kracht. So gehört es sich eben und so ist das in einer Horde Weiber.

Mittlerweile spielten wir gegen Mannschaften in ganz Deutschland, die Bundesliga wurde gegründet, man teilte sie sogar in 1. und 2. Bundesliga auf. Und dann, 2009, nach mehreren Jahren in der 1. Bundesliga der Damen, platze in Football-Deutschland die Bombe. Es sollte eine weibliche Nationalmannschaft geben, die in Schweden bei der Weltmeisterschaft in antreten wird.

Die Trainer der Mannschaften sollten die Favoriten Ihrer Mannschaft zum Try-Out senden, zum ersten Auswahlverfahren. Ich war leider nicht dabei. Mein Trainer hatte zu Recht meine beruflich bedingte geringe Trainingsbeteiligung berücksichtigt und mich nicht vorgeschlagen. Geknickt nahm ich das hin.

Ich freute mich natürlich für die Vorgeschlagenen aus meinem Team, knabberte aber dennoch an meinem angekratzten Ego. Ein Trainer einer befreundeten Mannschaft schlug mich nachträglich vor und legte ein gutes Wort für mich ein (Danke nochmals, Tom!), so dass ich schlussendlich doch noch zum Try-Out nach Köln eingeladen wurde. Ich rannte, sprang, und spielte mir die Seele aus meinem untrainierten Leib. Ich kämpfte auf dem letzten Zahnfleisch. Wenn ich es nicht jetzt schaffen würde in den Kader der Nationalmannschaft aufgenommen zu werden, wann dann?

Einige Wochen und abgenkabberte Fingernägel später stand der erweiterte Kader fest, der zum ersten Trainingslager in Silberborn eingeladen wurde und ich war dabei! Über 100 Mädchen und Frauen trafen sich über ein verlängertes Wochenende, um den Trainern der Nationalmannschaft zu zeigen, dass sie in den Kader der 45 Auserwählten gehörten. Drei Tage in Regen und Schlamm voller Emotionen und Hoffnungen, Kälte und Müdigkeit zahlten sich aus. Der endgültige A-Kader stand fest und ich hatte es geschafft. Drei meiner Shamrock-Mannschaftskollegen und auch ich sind nun auf dem sicheren Weg nach Schweden zur WM in Stockholm. Tag für Tag trudeln Emails mit Anweisungen und Ablaufplänen in meine Mailbox und Tag für Tag kann ich es weniger glauben, dass wir in ein paar Tagen schon in das Vorbereitungslager in der Nähe von Berlin reisen, um ab dem 27. Juni an der Womens World Championship teilzunehmen. Am 29. Juni treffen wir auf unseren ersten Gegner, die Nationalmannschaft unserer Gastgeber Schweden.

Ich bin mit meiner Nationalmannschaft unterwegs in unser Sommermärchen.

Wer hätte das vor 11 Jahren gedacht?

Ergänzung:

Bettina schreibt auch für die Lokalzeitung. Der Artikel erschien auch hier:

http://www.lokalkompass.de/wesel/sport/wie-meine-suche-nach-ein-wenig-bewegung-im-kader-der-nationalmannschaft-endete-d2837.html

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